Wie Züge künftig selbstständig in die Abstellung fahren könnten – ohne Lokführer
Für ein innovatives Forschungsprojekt bündeln die FH Aachen sowie die Unternehmen SWEG und Talbot Services ihre Kräfte / Praktische Umsetzung im Bahnhof Bad Krozingen
So könnte es in Zukunft einmal ablaufen: Kaum ist ein Zug am Bahnsteig des letzten Bahnhofs angekommen, steigt der Triebfahrzeugführer aus und hat Feierabend. Die Arbeiten, die dann noch nötig sind – insbesondere die Fahrt in die Abstellanlage und das Herunterfahren der Systeme – übernimmt ein vollautomatisches System. Um diesem Szenario näher zu kommen, hat die FH Aachen ein innovatives Forschungsprojekt ins Leben gerufen, an dem sich die Südwestdeutsche Landesverkehrs-GmbH (SWEG) – zusammen mit den Konzerntochtergesellschaften Trapico GmbH und SWEG Schienenwege GmbH – beteiligt. Ein weiterer Partner ist die Talbot Services GmbH, ein Unternehmen für Schienenfahrzeugbau aus Aachen. Das Projekt trägt den Titel „Stabling automation for multiple units“ (SAMU) und wird im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND mit insgesamt fast 200 000 Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gefördert. Den entsprechenden Förderbescheid übergab Michael Theurer, Parlamentarischer Staatssekretär bei Bundesverkehrsminister Volker Wissing und Beauftragter der Bundesregierung für Schienenverkehr, an die Projektpartner. Theurer erläutert: „Projekte wie dieses sind ein enorm wichtiger Schritt hin zur Automatisierung des Schienenverkehrs. Autonome ÖPNV-Verkehre sind gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel eine große Chance. Ich glaube, dass gerade für schienengebundene Systeme hier noch große Potentiale gehoben werden können. Aus diesem Grund haben wir uns auch dafür entschieden, SAMU mit Bundesmitteln zu unterstützen.“
Gegenstand des Projekts ist die Entwicklung einer Datenerfassungs- und Auswertungseinheit zusammen mit einer Steuerungseinheit, die Fahrten ohne Personal im Rangierbereich von Personenbahnhöfen ermöglicht. Die Einheit nutzt dabei voraussichtlich eine Kombination aus Kamera und 3D-Laserscanner, um den Fahrweg abzusichern. Dank einer rückwirkungsfreien Umsetzung könnte keine Zulassung oder Änderung der Schienenfahrzeuge erforderlich sein – dies gilt es im Forschungsvorhaben zu evaluieren. Sollte dies im Forschungsprojekt bestätigt werden, könnte dies zu einer Initialzündung für den automatisierten Eisenbahnbetrieb führen. Tobias Harms, Vorsitzender der SWEG-Geschäftsführung: „Forschung zu diesem Thema ist sehr wichtig. Der automatisierte Betrieb von Schienenfahrzeugen wird die Eisenbahn in ein neues Zeitalter führen. Und erst wenn die Technik auf bereits operierende Fahrzeuge übertragbar ist, ohne die Zulassung zu gefährden, wird sie auch für das Verkehrsunternehmen und die Industrie wirtschaftlich interessant. Kein Unternehmer kann riskieren, wegen einer neuen Technik die Zulassung für das Fahrzeug zu verlieren. Zudem hemmt die lange Lebenszeit eines Schienenfahrzeuges die Etablierung innovativer Lösungen im System Schiene. Das unterscheidet unsere Branche massiv von der Automobilwirtschaft, wo Innovationen viel schneller zum Tragen kommen.“ Zum Ende der Projektlaufzeit ist geplant, eine temporär auf einem Talent-3-Triebfahrzeug montierte Einheit im Bahnhof Bad Krozingen (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) zu testen und dabei auch Fehlerszenarien – zum Beispiel Personen im Gleis – nachzustellen. Zudem könnten so die Triebfahrzeugführer von vor- und nachbereitenden Arbeiten entlastet werden, sodass sie sich auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren könnten – nämlich das Fahren von Zügen. „Es handelt sich daher auch um keine Rationalisierungsmaßnahme, sondern um die Möglichkeit für einen effektiven Einsatz des Personals in Zeiten des Fachkräftemangels“, ergänzt Harms. Das Projekt soll auch auf der „Innotrans“, der internationalen Leitmesse für Verkehrstechnik, im Jahr 2024 präsentiert werden.
Was die Projektpartner leisten
Das Projekt steht unter der Konsortialführung der FH Aachen. Die Arbeitsschwerpunkte im vorliegenden Projekt sind die Absicherung der Fahrbewegung sowie die Schnittstelle zum elektronischen Stellwerk. Die FH Aachen unterstützt die Partner bei der Systemanalyse, vor allem durch Betrachtung der Anforderungen zur Umfelderkennung. Auch die Arbeiten zur Sensoreinheit samt Software fallen in ihre Verantwortung. Als Partner beteiligt ist ebenfalls die Talbot Services GmbH, ein Unternehmen für Schienenfahrzeugbau aus Aachen. Ihre Hauptverantwortlichkeit liegt in der Analyse der Anforderungen an das System sowie des Sicherheitsbedarfs. Außerdem begleitet Talbot Services die Software-Entwicklung mit Blick auf die Umsetzung der rückwirkungsfreien Schnittstelle zum Fahrzeug. „Wir freuen uns, dass wir in unserer Mitwirkung auch das Vertrauen unserer Partner in unsere professionelle Arbeit sehen können“, so Dirk Reuters, CEO Talbot Services.